Funktionen der Letzimauern

Die Mauer von Gamsen war ein „Mehrzweckbau“ und erfüllte mindestens folgende 5 Funktionen:

  • Wehrbau

  • Schutz gegen die Gamsa

  • Schutz bei Fehden und im Kleinkrieg

  • Pestmauer

  • Territorialgrenze

Wehrbau

Talsperren dienten dazu, feindliche Heere am Durchgang zu hindern. Zum Zeitpunkt, als diese Mauer errichtet wurde, gab es weder Gewehre noch Kanonen oder Artillerie. Trotzdem war es fragwürdig, ob eine Mauer von einer solchen Länge (850 m) auf die Dauer zu verteidigen war.

Urkunden bezeugen, dass sich die Bewohner der umliegenden Dörfer beim Herannahen des Feindes an der Mauer zu versammeln pflegten und den Soldaten Hilfe leisteten.

Es ist nicht bekannt, ob an der Gamsenmauer je eine grössere Schlacht stattgefunden hat. Die Tatsache, dass die Oberwalliser die Entscheidung bei Visp gesucht hatten, könnte darauf hinweisen, dass eine offene Schlacht im entscheidenden Moment bevorzugt wurde.

Schutz gegen die Gamsa

Es ist unbestritten, dass die Landmauer zu allen Zeiten gleichzeitig eine Wehr gegen die Gamsa war. Verschiedene Chronisten berichten, dass die Gamsa entlang der Mauer floss. Archäologische Grabungen belegen, dass es westwärts tatsächlich einen Graben gab (eine Art Flussbett). Ein erster Damm gegen die Gamsa ist älter als die Landmauer. Zwei weitere Dämme aus den Jahren 1686 und 1757-64 im obersten Teil des Schuttkegels leiteten die Gamsa in späteren Jahren weg von der Landmauer.

Während der eine Teil der Mauer gegen die Gamsa verschwunden ist, sind andere bestens erhalten und können auf der Westseite der Mauer bestaunt werden (zu diesem Zwecke muss man die Mauer auf der Westseite hochgehen).

Schutz bei Fehden und im Kleinkrieg

Im Spätmittelalter gab es noch keinen effektiven Schutz gegen Raub und Fehdehandlungen. Insbesondere der Viehraub erfreute sich grosser Beliebtheit. Gegen kleinere Gruppen waren aber die Landwehren ein idealer Schutz. Räuberbanden wurde das Handwerk massiv erschwert.

Pestmauer

In Zeiten der Pest schloss man alle Zugänge zum Wallis (also alle Pässe) und stellte Pestwachen auf. Nur so konnte man verhindern, dass die Pest eingeführt wurde. Aber auch innerhalb des Kantons errichtete man Pestwachen. Die Landmauer von Gamsen eignete sich hervorragend als Pestmauer. Ihre Benutzung als Wache gegen die Pest ist urkundlich belegt. Kaspar Jodok von Stockalper zum Beispiel begann seine politische Karriere als Leiter einer solchen Pestwache an der Gamsenmauer (1629).

Territorialgrenze

Die Mauer bildet eine kleine Dialektgrenze (oberhalb der Mauer „Chäs“, unterhalb „Ches“) und eine Grenze für Kuhrassen (oberhalb Braunvieh, unterhalb Fleckvieh).
Sie war auch die Trennlinie zwischen den obersten und den unteren Zenden, zwischen denen es vom 14. bis zum 17. Jahrhundert oft Streit gab.